Ein stummer Hund will ich nicht sein

Im April kommt der Film „Ein stummer Hund will ich nicht sein“ von Walter Steffen in die Kinos, für den ich die Archivrecherchen durchgeführt habe. Dafür habe ich auch im Archiv der Gedenkstätte Dachau recherchiert – die neuerliche Begegnung mit diesem Ort des Schreckens, an dem ich im Jahr 199 mit Max Mannheimer gedreht hatte, war wiederum erschütternd.

Appell im KZ Dachau. Bild: Bundesarchiv

Dachau 1945

KZ Dachau April 1945. Bild: Historiathek

Das Schicksal des katholischen Priesters Korbinian Aigner, der sich in seinen Predigten und im Religionsunterricht mutig gegen das NS-Regime wandte und im KZ Dachau trotz widriger Umstände ein Symbol der Hoffnung schuf, indem er heimlich neue Apfelsorten züchtete, ist der Kern der Filmerzählung. Die zusammengetragenen Archivmaterialien – von verblassten Fotografien über originale Schriftstücke bis hin zu seltenen Filmsequenzen – liefern dem Film nicht nur eine fundierte faktische Basis, sondern auch visuelle Impulse, die das Publikum direkt in das Geschehen der Vergangenheit eintauchen lassen.

Korbinian Aigner war als Häftling des Lagers Dachau zur Arbeit im sogenannten „Kräutergarten“ eingeteilt. Der Kräutergarten war ein besonders blutiges Stück Konzentrationslager, allein die Urbarmachung des Moorbodens mit Spitzhacke und Schaufel kostete zahlreichen Häftlingen das Leben. Das Szenario dieser Plantage, mit Gewächshäusern und Heilpflanzenbeeten bildete einen besonders gespenstischen Austrieb der Todesfabrik Dachau. Hier wurde unter der Leitung eines ehemaligen Weleda Funktionärs nach esoterischen Methoden Pflanzen gezogen. Man muss sich die Blütezeit der Gärten im Juni oder Juli vorstellen, Reihen mit gelb-orangen Calendulapflanzen oder von blau blühenden Lavendelbeeten. Dahinter die Kulisse des Hauptlagers – der Todesfabrik.

Korbinian Aigner züchtete im Lager Dachau Apfelsorten. Sie hießen „KZ-eins“, „KZ-zwei“ oder „KZ-drei“. Nach seiner Befreiung erzählt er, dass ihn diese Aufgabe am Leben erhalten hat, seinem Willen zum Durchhalten gestärkt hat. Der Korbiniansapfel, gezüchtet im Lager Dachau, lebt heute fort.

Dokumente des Unfasslichen

Während der Bildsuche im Archiv der Gedenkstätte fiel mir eine Akte zu einer Münchner SS-Biologin auf, die im Winter und Frühjahr 1945 im Kräutergarten Tomaten züchtete. Man stelle sich die Szenerie vor, zu der die tapfere Wissenschaftlerin den Austrieb von Tomatensaat zu verschiedenen Mondphasen akribisch vermaß und notierte. Zum Ruhm ihres obersten Führers Heinrich Himmler. Keine 200 Meter weiter, im Hauptlager verreckten in diesen Wochen tausende Häftlinge an Ruhr, Typhus oder Fleckfieber. Hoch über den Kopf der Forscherin ziehen amerikanische Bomberpulks, um über München oder weiter ihre todbringende Fracht abzuwerfen. Tiefflieger vermutlich auch unterwegs. Die Präsenz ausgezehrter und zerlumpter, halbtoter Häftlinge macht keinen Eindruck. Sie schreibt seitenweise über Tomatenwachstum. Nachzulesen sind derartige Dinge im Archiv der Gedenkstätte Dachau.

„Ein stummer Hund will ich nicht sein“ ist ein Film, der das Gedenken an mutige Widerstandshandlungen lebendig hält und uns alle dazu anregt, für Menschlichkeit und Gerechtigkeit einzutreten.