Die Waisenkinder von Dachau
Im Sommer 1945 zeigt die Wochenschau der amerikanischen Besatzungszone einen Film „Die Waisen von Dachau“ über das Lager Kloster Indersdorf im Landkreis Dachau, das für überlebende Waisenkinder aus den Konzentrationslagern eingerichtet worden war. In dem kurzen Film ist zu sehen, wie 1945 eine menschenwürdige Behandlung der Opfer von Krieg und Terror organisiert werden konnte. Und heute? Was die Zustände auf Lesbos 75 Jahre später mit diesen Filmbildern zu tun haben.
Die United Nations Relief and Rehabilitation Association, UNRRA, beginnt unmittelbar nach dem Krieg Kinder und Jugendliche zu betreuen, die in den Konzentrationslagern überlebt haben aber ihre Eltern verloren haben. Sie bekommen in Aufnahmestellen wie dem Kloster Markt Indersdorf eine erste neue Heimat. Die Waisen von Dachau.
Das Schicksal dieser vom Nazi-Regime verschleppten und buchstäblich aus der Hölle kommenden Kinder ist einzigartig, wie die entsetzlichen Bilder aus Dachau vom Mai 1945 zeigen.
Hilfe für die Waisen aus KZ-Lagern
Traumatisiert, halb verhungert und völlig apathisch hatten die Kinder und Jugendlichen in Dachau und anderen Konzentrationslagern Terror, Typhusepidemien und Hunger überlebt. Der Film „Die Waisen aus Dachau“ über Indersdorf wurde von Hanus Burger gedreht. Hanus Burger hat auch als einer der ersten Kameraleute der US-Armee im April 1945 in den gerade befreiten Konzentrationslagern gefilmt.
Die Kinder zeigen im Film die Tätowierung „KL“ auf ihrem Unterarm. „KL“ steht in den Akten der Nazi-Bürokratie für „Konzentrationslager“. Es sind also wahrhaftig Kinder, die aus der Hölle kommen. Der Film zeigt um so mehr, wie schnell eine Rückkehr zu einem fast normalen und ein auch bisschen glücklichen Leben erreicht werden kann, wenn eine gute Betreuung organisiert wird. Mitgefühl und Menschlichkeit lassen „spielend“ neuen Lebensmut entstehen. Die Bilder zeigen, wie die wohl organisierte Unterstützung der Kinder und die Einhaltung von hygienischen und sozialen Standards ihnen hilft, den Horror zu vergessen und sich an ihrem Leben wieder zu freuen.
Die Frau in Uniform im Film ist Greta Fischer. Sie war für die für die UNRRA tätig und kümmerte sich um die medizinische und psychologische Versorgung von Flüchtlings- kindern. Greta Fischer wurde im Juli 1945 die Leiterin des ersten internationalen Kinderzentrums der US-Zone in Indersdorf.
Ein anderer Aspekt ist das Umfeld in dem Greta Fischer und die Vereinten Nationen gearbeitet haben. Ihre Chance bekamen Waisenkinder in einem vom Krieg zerstörten Land. Der folgenden Film zeigt, wie es im Sommer 1945 in München ausgesehen hat. Millionen deutscher Zivilisten waren ausgebombt und mussten versorgt werden.
CARE Hilfe für die deutsche Bevölkerung
Die Situation für die deutsche Bevölkerung in den zerbombten Städten war extrem schwierig. Die Lasten des Krieges trafen die überlebenden Menschen jetzt mit voller Wucht. Doch auch für sie, unter ihnen die vielen Mitläufer und zivilen Unterstützer des Nazi-Regimes, wurden internationale Helfer tätig.
Mit dem hereinkommenden Winter 1945 wurde die Situation in Deutschland und anderen europäischen Ländern katastrophal. Am 27. November 1945 gründeten 22 amerikanische Wohlfahrtsverbände die „Cooperative for American Remittances to Europe“, kurz C.A.R.E.. Schon vor Weihnachten begann die Verteilung der berühmten Care-Pakete. Ein solches 15 Kilo Paket enthält den Bedarf an wichtigen Nahrungselementen für einen Monat. Die Aktion rettet vielen Kindern das Leben. 100 Millionen Pakete werden in ganz Europa verteilt. Fast zehn Millionen CARE-Pakete mit Lebensmitteln, Kleidung oder Werkzeugen erreichen allein Deutschland.
Die CARE-Pakete haben für viele deutsche Familien – egal ob Mitläufer oder vielleicht Unterstützer des Naziregimes – eine Hilfe für das Überleben und den Neuanfang bedeutet. Tausende ehrenamtliche Helfer in der ganzen Welt machten diese Aktion zu einem großen Erfolg. Das deutsche Volk wurde nicht geächtet, sondern Menschen in Not wurde versucht zu helfen.
Als die deutsche Bevölkerung nach dem Krieg in einer schier ausweglosen Lage war, haben Menschen auf der ganzen Welt Hilfe organisiert. Wenn wir unsere Situation heute mit der Lage der Menschen in den Bildern von 1945 vergleichen, brauchen wir nicht lange zu fragen, warum wir es schaffen können und müssen, den im Nahen Osten und anderswo in Not geratenen Menschen zu helfen.
Lesbos: „Zu wenig Toiletten, zu wenig Waschmöglichkeiten: Das macht mich fassungslos.“
Die Zustände im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos beschreibt der deutsche Arzt Gerhard Trabert in einem Interview mit dem ZDF. Rund 7.000 geflüchtete Kinder leben allein im Lager Moria. Davon sind etwa 1.000 unbegleitete Minderjährige.
Die Schwierigkeiten der geflüchteten Kinder heute und ihre Bedürfnisse sind ganz ähnlich zu denen der Waisen aus Dachau. Allein seit Dezember 2019 wurden 900.000 Menschen aus der Region Idlib in Syrien vertrieben. Sie haben alles verloren und benötigen dringend Schutz, Nahrung, Wasser und medizinische Hilfe.
Auf Lesbos vegetieren die Flüchtlinge in überfüllten Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen. Unter ihnen tausende unbegleiteter Waisenkinder. Wir dürfen diese Kinder nicht vergessen und müssen ihnen endlich eine vergleichbare Hilfe bieten.
Das UNHCR kann durch Spenden unterstützt werden.
Im Beitrag „Todesmühlen“ habe ich weitere Gedanken zu diesem Thema aufgeschrieben.
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