Das Ende ist nah. Dokumentarfilm über die Apokalypse

Vor 20 Jahren zum Ende des zweiten Jahrtausends standen Weltuntergangsideen hoch im Kurs. Damals im August 1999 hatte Nostradamus zufolge eine mächtige Sintflut das Land überschwemmen sollen. Auch heute werden Debatten über den Klimaschutz häufig mit apokalyptischer Emotion geführt. In dem Dokumentarfilm „Das Ende ist nah“ habe ich mit Theologen, Zeitzeugen und Historikern hierzu sieben unterschiedliche Bespiele erzählt. Die Metaphern im Film sind aktueller denn je.

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Die Zeitansage der Apokalypse ist „Das Ende ist nahe“ beginnt der Theologe Jürgen Moltmann den Film. Während die traditionelle christliche Vorstellung mit dem Ende der Welt die Erlösung verbunden hat, sehen wir heute das Ende der Welt als unseren Untergang. Der Film erzählt in 7 Kapiteln von dieser Furcht vor dem Weltuntergang. „Die Welt ist nicht am Ende – es ist noch Lachen und Weinen in ihr“ ist das Fazit meines Films.

Jürgen Moltmann, Theologe:

„Die Botschaft der modernen Apokalyptik heisst, das Ende ist nahe, der Zusammenbruch steht kurz bevor, das ganze System der Erde kann zusammenbrechen, es können riesige Katastrophen kommen, die die Menschheit auslöschen, also leben wir in befristeter Zeit.“

Eins. Apokalypse Jetzt

Der Fortschrittsglaube vergangener Jahrzehnte ist von schattenhaften Ängsten zerfressen worden. Der Hintergrund ist das Leben in der vom Soziologen Ulrich Beck so genannten „Risikogesellschaft“. Die modernsten Risiken sind unsichtbar und der stumme Frühling ist mit unseren Sinnen nicht fassbar. Immer neue Gefahrenpotentiale werden aufgehäuft.

Klaus Berger, Theologe:

„Aus den apokalyptischen Texten kann man lernen, dass all unser Tun endgültig ist, nichts vorläufig ist und das alles Tun Folgen hat. Das kann man nirgendwo so gut lernen, wie im Zeitalter der ökologischen Besinnung, wo eben die Schäden nicht wieder gut zu machen sind, die wir anrichten.“

Fortschritt als Sinn unserer Existenz entpuppt sich als rasende Fahrt in die Sackgasse

Zwei. Die Zeichen erkennen

Michael Hesemann, Philosoph:

„Wenn man glaubt, dass hinter der Schöpfung eine Intelligenz steht, besteht auch die Möglichkeit einer Warnung“

Die beunruhigendste Begegnung bei diesem Film waren Gespräche mit Menschen, die fest an den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang glaubten. Die Vorstellung, dass auserwählte Personen durch bestimmte Zeichen gewarnt werden. Ende der 1990er Jahre war der apokalyptische Film „Deep Impact“ ein Kassenschlager. Eine tolle Hollywoodstory, mit der damals bestmöglichen Computeranimation hergestellt. Weniger bekannt ist, dass es Menschen gab und auch heute gibt, die zum Beispiel an die hereinbrechende Sintflut auch tatsächlich geglaubt haben und in schwere psychische Probleme gerieten. Im Film tritt Stephan Berndt auf, der damals gerade aus Hamburg nach München gezogen war und weiter in die Berge wollte. Ich machte mir damals Sorgen um ihn. Seine Quellenbefunde ließen das Ende im Jahr 1999 erwarten. Heute, 20 Jahre später ist er weiterhin am Buchmarkt als Experte für Prophetien gefragt. Der Autor Michael Hesemann sagt damals im Film: „Ein seriöser Prophet nennt nie ein Datum“.

Der Anstieg der Meeresspiegel aufgrund der Klimaerwärmung mit der Begleiterscheinung von Überflutungen und Hochwasserereignissen hatte ich in dem Film thematisiert. Ich habe hierzu den Geowissenschaftler Gerhard Bertz von der Münchner Rückversicherung Stellung nehmen lassen. Die Häufigkeit der großen Naturkatastrophen hatte sich 1999 seit den 1960er Jahren bereits verdreifacht. Er bringt das Thema auf einen Punkt: „Naturkatastrophen sind Kulturkatastrophen“.

Drei. Apokalypse und Tod

Manfred Lütz, Psychiater:

„Mein Eindruck ist, dass die Menschen heute den Tod verdrängen und weglaufen in die Tode, in die zahllosen Tode von irgendwelchen Leichen, die in Krimis angerichtet werden, (…) eine Art Pornographie des Todes.“

Martin Heidegger, Philosoph:

„Das ganze Dasein des Menschen ist ein Sein zum Tode“

Der Psychiater Manfred Lütz sieht in der Verdrängung des Todes das Charakteristische unserer Epoche. „Die Menschen laufen weg vor der Unwiederholbarkeit jedes Moments und Begrenztheit und Endlichkeit ihres Lebens.“ Über die Hollywood-Apokalypse kann man auf der Party reden, über das wirkliche Ende besser nicht. Aber jeder ist sterblich. Spätestens im Augenblick des Todes ist seine Verdrängung eine völlige Illusion.

Ich schreibe dies 2020. Mir kommt der Umgang mit Corona in den Sinn. Die Politik verabsolutiert das Leben, negiert die Sterblichkeit und läßt sich den Schutz vor dem Coronatod Milliarden kosten. Die Verdrängung des Todes muss um jeden Preis aufrechterhalten werden. Anscheinend funktionieren wir in unserem Arbeitsalltag nur, wenn das Leben vermeintlich ewig währt. Die Apokalypse der Pandemie wird die unterschwelligen Ängste der Risikogesellschaft weiter vertiefen. Die Ältesten werden natürlich zuerst geimpft. Damit die Jungen ihr irgendwann kommendes Alter weiter als risikofrei empfinden. Solange wir jedoch die Begrenztheit der Existenz nicht wahrhaben, wird auch keine Bereitschaft zu einem verantwortlichen Umgang mit uns selbst und mit unserer Welt entstehen. Und keine Gelassenheit entstehen. Mit unserer Lebenszeit gehen wir besonnen um, wenn wir unsere Sterblichkeit erfahren haben.

Angst kann etwas Gesundes sein, die Urangst, die in jedem Menschen steckt und auf die die Antwort der glaube ist oder etwas Pathologisches. Mitglieder einer apokalyptischen Sekte, die sich in Südfrankreich umgebracht hatten, schrieben: „Es gibt keinen Tod, er ist reine Illusion.“ Dazu Manfred Lütz: „Apokalyptische Halluzinationen sind etwas Pathologisches. In der Tat eine Krankheit, die man auch gut behandeln kann, heutzutage. Oder ist es vielleicht eine Gruppe, die pseudo-apokalyptische Vorstellungen hat, die diese Gruppe aber nicht befreien, sondern verstricken und die Kommunikation mit anderen Menschen völlig unterbrechen.“

Wenn Apokalypse jedoch Menschen ergreift und zu ihrem Eigentlichen führt, ist sie etwas sehr Gesundes.

Vier. Apokalypse als Literatur

Klaus Berger, Theologe:

„Apokalyptik ist eine Wendeliteratur, sie hat zum Thema den großen Machtwechsel in der Weltgeschichte, bei dem die Reiche in dieser Welt abgelöst werden durch ein neues Reich, das vom Himmel herkommt, das Reich der Gerechtigkeit“

„Die apokalyptische Ethik besteht in einer Grundhaltung, nämlich alle Macht zu hinterfragen auf die Frage der Gerechtigkeit.“

„Wenn Unglück geschieht, dann hat es den Sinn, dass der Mensch sich schnell ändert“

Die Apokalypse ist kritische Literatur, eine „Wendeliteratur“, wie es der Theologe Klaus Berger nennt. Sie erzählt von der Vorstellung, dass die unbgerechten und verderbten Gesellschaften dieser welt von einer neuen, freien und gerechten Welt abgelöst werden. Rom ist die Hure Babylon, das Sinnbild der Unterdrückung und Unterjochung der Menschen. Doch in der Apokalypse „wird alles neu“. Eine zutiefst sozialkritische Literatur, die Konsum und Macht in das Visier nimmt. „Jede Macht, die sich nicht unterwirft den Geboten Gottes ist dem Untergang geweiht“ fasst Klaus Berger zusammen. Der Apokalyptiker Johannes sieht Rom als dem Untergang geweiht, gerade weil es auf dem Gipfel seiner Macht und Prachtentfaltung steht. Unrecht wird nicht lange dauern. Der schrankenlose Lebensgenuss ist dem Untergang geweiht.

Die apokalyptischen Texte sind eine Aufforderung, sich auf die Seite derer zu stellen, die Zukunft haben und die nicht alles schon hinter sich haben. Sie sind eine Aufforderung aktiv zu werden und eben nicht Tragödien oder neu-germanische Schicksalsmythen. Das Böse und das Bedrohliche können verhindert und überwunden werden.

Fünf. Krieg und Endzeit

Jürgen Moltmann, Theologe:

„Seid Erfindung der Massenvernichtungswaffen leben wir tatsächlich in der Endzeit“

Klaus Berger, Theologe:

„Die Auskunft der Apokalyptik bis heute lautet: Politik darf nicht den Anspruch erheben, das Heil herbeizuführen“.

„Man kann daher fragen, was wäre gewesen, wenn in der Geschichte des Abendlandes die Menschen sich nicht an Römer 13, jeder Mann sei Untertan der Obrigkeit, sondern an Apokalypse 13 gehalten hätten, das hinter jeder Obrigkeit der Teufel lauert“.

Die kriegerische Vernichtung des Lebens auf der Erde bliebe eine Tat von Menschen. insofern haben wir die Freiheit , uns gegen die Selbstzerstörung zu entscheiden. Die apokalyptische Literatur ermutigt uns zur Auflehnung gegen Machtmissbrauch und todbringende Gewissheiten. Die Geschichte unseres Jahrhunderts verlief wie ein Film nach dem Drehbuch apokalyptischer Texte, in den Hauptrollen, Hitler, Goebbels, Stalin, Pol Pot und wie sie alle heissen. Wir haben, so die texte der Apokalyptik die Wahl zwischen Unheil und Vernichtung und einem glücklichen Leben. Wir leben heute nicht in einer anderen Situation als Menschen in früheren Jahrhundert. Die Grundfrage bleibt die gleiche: Macht und Vernichtung auf der einen und Leben, das seinen Namen verdient, auf der anderen Seite.

Metaphern der apokalyptischen Texte, wie das „tausendjährige Reich“ oder das „letzte Gefecht“ gehen einen verschlungenen Weg hinüber in die Machtrhetorik der Legitimation totalitärer Selbsterlösungsansprüche. Millionen Opfer die Folge.


Sechs. Apokalypse als Wirklichkeit

Klaus Berger, Theologe:

„Man kann sagen, dass mit Auschwitz die Dimension des Verbrechens den Bereich des nicht mehr Vorstellbaren erreicht hat.“

Max Mannheimer, ehemaliger KZ-Häftling:

„Auschwitz-Birkenau, die Rampe war die Hölle, ohne dass wir es ahnten“

Die Größe des Schreckens, die das Vorstellbare übersteigt, verweist auf die Größe der Gegenwirklichkeit Gottes. Und sie läßt zweifeln. „Den Glauben an Gott habe ich längst verloren“, schreibt der jüdische Überlebende Max Mannheimer in seinen Erinnerungen. „Wozu die Prüfungen, wozu diese Opfer?“, Wozu?

Im 9. Buch der Apokalypse beherrscht Abaddon, die Verlorenheit die Menschen. Diese steht in Beziehung zur Kriegführung. Die Übereinstimmung der biblischen Stätten mit Kriegsschauplätzen wird als Zeichen gedeutet, dass es sich um das erhoffte apokalyptische Geschehen handelt. Kann man aber nach Auschwitz überhaupt noch mit Gott in Dialog treten? „Die Antwort wäre, dass man nach Auschwitz nur noch Gedichte schreiben kann“ sagt Klaus Berger im Film. Die Antwort können nur Kategorien der Gegenwirklichkeit sein, keine historischen Beschreibungen. „Dichtung, Hymnus, Gebet.“

 

Sieben. Durchs Dunkel zum Licht

Jürgen Moltmann, Theologe:

„Der Inhalt dieser biblischen Apokalypsen ist Hoffnung in der Gefahr. (…) Siehe ich mache alles neu ist das letzte Wort in der Offenbarung Johannes“

Max Mannheimer, ehemaliger KZ-Häftling:

„Auschwitz-Birkenau, die Rampe war die Hölle, ohne dass wir es ahnten“

Es hat in der Erdgeschichte fünf große Katastrophen gegeben, bei denen jeweils die vorhandenen Lebewesen ausgelöscht wurden. Das Leben ist jedesmal neu entstanden. „Wenn ich wüßte, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute einen Apfelbaum pflanzen“, schreibt Luther.

Wir haben die Freiheit, verantwortungsbewußt zu handeln.

„Die Welt ist nicht am Ende – es ist noch Lachen und Weinen in ihr“.

Das Ende ist nah – 7 Ansichten zum Weltuntergang.

Dokumentarfilm über die Apokalypse und ihre Wirkung.

Produktion: Bayerischer Rundfunk © BR 1999
Buch und Regie: Stephan Bleek
Kamera: Benedikt Preisinger
Ton:
Schnitt: Katharina Sanders
Redaktion: Hubert Schöne
Sprecher: Gert Heidenreich

mit:

Jürgen Moltmann Theologe
Klaus Berger, Theologe
Manfred Lürz, Psychiater
Gerhard Bertz, Geowissenschaftler
Max Mannheimer, Nazi-Opfer
Michael Hesemann, Autor
Stephan Berndt, Autor

Digital bearbeitete Kopie HD1080: © Stephan Bleek 2020